„Pfandleihe auf vier Rädern mittlerweile ein alternativer Kredit”

Immer mehr Autobesitzer bringen ihr Fahrzeug zum Kfz-Pfandleihhaus – Mehr als 600 Autos wechselten seit 1995 auf diese Weise den Besitzer

Der Artikel „Pfandleihe auf vier Rädern mittlerweile ein alternativer Kredit“ erschien 2000 in der Stuttgarter Zeitung.

Stuttgart (a) – Auch in der Schwabenmetropole verpfänden immer mehr Autobesitzer ihr „heiliges Blechle“. Sie bringen ihren Wagen ins Kfz-Pfandleihhaus und bekommen dafür schnellen Kredit. In den vergangenen vier Jahren wechselten auf diese Weise in dem einzigen Kfz-Pfandleihhaus der Landeshauptstadt mehr als 600 Fahrzeuge kurzfristig ihren Besitzer. Die meisten Fahrzeuge wurden jedoch nach wenigen Monaten wieder ausgelöst.

So hatten die Stuttgarter Gebrauchtwagen-Händler Jochen Haugstetter und Thomas Stäbler offensichtlich den richtigen „Riecher“, als sie im Februar 1995 an der Meßstetter Straße in Möhringen das erste Stuttgarter Kfz-Pfandleihhaus eröffneten. Bereits in den ersten Jahren zeigte sich nämlich, dass die beiden Gründer die Chancen der Idee und Marktlücke „Geld gegen Autopfand“ richtig eingeschätzt hatten.

Viele mittelständische Kunden

Mitentscheidend für den Entschluss zur Etablierung eines Autopfanleihhauses waren offensichtlich auch der expansive Trend des konventionellen Pfandleihgeschäfts und die existenzielle Fluktuation vor allem in der gesellschaftlichen Mittelschicht. „Der überwiegende Teil unserer Kundschaft ist aus dem Mittelstand, oft Handwerker und andere Selbständige, die einen kurzfristigen Kredit brauchen“, bestätigt Jochen Haugstetter. Die Autobesitzer, die ihren Wagen in Stuttgart verpfänden, seien im Alter zwischen 30 und 60 Jahren und kämen aus der ganzen Region.
Sich kurzfristig Liquidität verschaffen, einen Engpass überbrücken, Startkapital für die Selbstständigkeit erhalten sind die häufigsten Beweggründe. Auffallend unter den Pfandgebern ist die große Zahl der Inhaber von Gewerbebetrieben. „Davon waren wir zwar von Anfang an überzeugt – doch das Ausmaß der Inanspruchnahme durch den Mittelstand hat und dann doch überrascht“, so Haugstetter.

15 Prozent werden versteigert

Dass aber nur ein kleiner Rest von 15 Prozent der verpfändeten Autos letztendlich zur Versteigerung kommt, ist für Haugstetter und seinen Kompagnon Thomas Stäbler der eindeutige Beweis für die bewusste Nutzung des Autopfands als Überbrückungsmöglichkeit. Die Selbstverständlichkeit, mit der ihr Angebot genutzt werde, zeige sich auch in der Einschätzung als „Alternativer Kredit“.
Größtenteils werden neuwertige Mittelklassewagen ins Pfandhaus gefahren. Der Pfandgeber bekomme aber maximal sechzig Prozent vom Verkehrswert seines Fahrzeugs beliehen. Dies decke sich mit dem Darlehensbedarf, der im Durchschnitt zwischen 7000 und 8000 Mark liege. Hin und wieder verwechsle aber einer das Pfandhaus mit einem Gebrauchtwagenhändler und versuche dennoch, seinen alten Wagen zu verkaufen. Doch den müssen die Pfandleiher dann einfach eines Besseren belehren.

Nach wie vor herrsche in der Öffentlichkeit in punkto deutsches Pfandleihrecht ein Informationsdefizit. Falsche Vorstellungen haben viele auch vom Erlös. Hier übersehe man vielfach den vergleichsweisen hohen Aufwand des Pfandleihhauses. Dieses habe für die Verwahrung der Fahrzeuge und für die Versicherung hohe Kosten. Dem Pfandgeber werden unter anderem ein Prozent Zins pro Monat und 6,90 Mark pro Tag Standgeld und eine Aufwandsunkostenpauschale berechnet.

„Geld gegen Autopfand“ ist in den Vereinigten Staaten seit Jahren bereits eine Selbstverständlichkeit. Nun ist diese Art, an Geld zu kommen, auch im Schwabenland ins Rollen gekommen. Und im Hinblick auf eine von schnellen Veränderungen geprägte Wirtschaft und Gesellschaft, wird dieses lukrative Geschäft mit den Autos sicherlich auch im nächsten Jahrhundert in Fahrt bleiben.

Die Bild-Zeitung über Jochen Haugstetter

,, Immer mehr Stuttgarter trennen sich von ihren Fahrzeugen, wenn Sie knapp bei Kasse sind.“

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