„Nur bar, keine Schecks“

Nicht ausgelöste Wagen im Auto-Pfandleihhaus versteigert

Der Artikel „Nur bar, keine Schecks“ erschien 1996 in der Stuttgarter Zeitung, verfasst von Christian Litz.

An dem Wagen werden die zwei verdienen. Da die Veranstalter den 230er Mercedes mit 95er Zulassung und 18 000 Kilometer auf dem Tacho sozusagen selbst ersteigert haben, ist nun keiner da in dem etwa zwölf Quadratmeter großen Büro, der 35 000 in großen Scheinen auf den Tisch zählt. Mit dem Mercedes werden die beiden erst später Geld machen.
Gerade legt ein etwa 25jähriger 9000 Mark für einen Opel Vectra und 3500 Mark für einen Audi 80 auf den Tisch, ein Schein nach dem anderen. Jochen Haugstetter, der bei dem Stuttgarter Auto-Pfandleihhaus für Kaufmännisches zuständig ist, zählt mit.

Als alle Schneine auf dem Tisch liegen, holt Haugstetters Partner Thomas Stäbler aus der blauen Plastikkiste Schlüssel, aus dem schwarzen Ordner Fahrzeugpapiere. Zwölf Autos hat am Samstag für sie ein Auktionator draußen auf dem Hof in Vaihingen versteigert. Zwei davon haben Freunde von ihnen in ihrem Auftrag geholt, indem sie plötzlich zum ersten Mal mitboten, noch mal 100 Mark mehr geboten haben, als der Versteigerer auf dem vollgeparkten Hof gerade „zum dritten“ rufen wollte. Die zwei haben 127 650 Mark eingenommen. In bar. Kein Scheck. Aber, so sagt Haugstetter, die Versteigerung sei nur Stress, notwendig, aber nicht gewinnbringend. „Es ist uns lieber, die Leute lösen ihr Auto aus.“

Zeitungsartikel: Nur bar, keine Schecks

Seit einem Jahr haben sie im Ortsteil Vaihingen ihr Auto-Pfandleihhaus. der Markt habe danach geschrien. Immer mehr Leute kommen in Geldschwierigkeiten und für Fahrzeugpapiere bekomme heute bei der Bank keiner mehr Kredit. Haugstetter: „Früher ist ein Lude ins Pfandleihhaus und hat seine Rolex versetzt. Aber die Rolex ist weg, jetzt müssen sie Autos versetzen.“ Den größten Teil der Kundschaft stelle jedoch „die Mittelschicht“. Die fahre aus ganz Baden-Württemberg an.

1,3 Millionen Mark haben die beiden bisher verliehen. Es läuft immer gleich ab: Einer kommt mit Auto vorgefahren, sagt, er brauche Geld. Stäbler macht eine Probefahrt, schaut unter Auto und Motorhaube, spricht kurz mit Haugstetter. Der sagt dann Sätze wie „40 000.“
Die Kunden verhandeln neu, sie brauchen Geld, sie brauchen es schnell. Von jetzt an läuft die Uhr: Wer sein Auto wieder will, muss 6 Mark am Tag Standgebühr zahlen, ein Prozent Zinsen im Monat und die Versicherung. So verdienen Haugstetter und Stäbler ihr Geld. 65 Prozent der Autos würden wieder ausgelöst. Wenn nicht, müssen sie den bei der Versteigerung eingenommenen Mehrerlös dem früheren Autobesitzer geben.

Aber: Im Büro gibt es einen Ordner, in dem sind Schecks mit den Mehrerlösen. Stäbler: „Bisher hat noch keiner sein Geld abgeholt.“
Wer innerhalb von vier Monaten nicht mit dem Geld für sein Auto zurückkommt, ist es los. Es wird versteigert. Und ersteigert: Gerade legt der Szene-Gastronom Bernd Heidelbauer 17 Tausend-Mark-Scheine für einen Jaguar 3,6 auf den Tisch.

Die Bild-Zeitung über Jochen Haugstetter

,, Immer mehr Stuttgarter trennen sich von ihren Fahrzeugen, wenn Sie knapp bei Kasse sind.“

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