„Schnelles Geld für schnelle Wagen“

Der Artikel „Schnelles Geld für schnelle Wagen“ erschien 2009 als Reportage in der Stuttgarter Zeitung, verfasst von Robin Szuttor.

Jochen Haugstetter macht Kunden flüssig. In seinem Autopfandleihhaus stehen nur Nobelmarken. 

Ein schönes Auto. Auch nach 30 Jahren und 100 000 Kilometern. Ein Rentnerpaar, er mit Bermudashorts und grauen Dunlop-Socken, sie mit Strohhut und roten Lippen, steht vor dem Mercedes 280 SL und unterhält sich mit anderen Interessenten: „Des isch in etwa des Baujohr wie onser alder“, sagt sie. „Am Schluss ischer onda durchbrocha“, sagt er.
Zehn weitere mögliche Käufer kreisen auf einem Gerlinger Parkplatz prüfend um drei Mercedes-Modelle. Ein Gunter-Sachs-Typ lässt mit kritischem Blick die Wischer eines E 350 auf die Frontscheibe schnalzen. „Für den Preis kriegt der den nie los.“

Punkt 15 Uhr tritt ein Mann vor, um den sich rasch ein Halbkreis bildet. Es ist Helmut Stetter, barfuß in Sandalen, mit ausgebeulter Jeans, die ihm tief in der Hüfte hängt. 1962, als er anfing, war er Deutschlands jüngster Auktionator. Jetzt ist er einer der ältesten. Er hat schon alles versteigert: Kunstwerke, Polizeischiffe, Fabriken, Metzgereien. An diesem Nachmittag sind es Autos. „Wir mached des so wie seit fenfhondert Johr“, sagt er einleitend, „ohne Gewährleischdung, mit sofort Barkauf.“ 11900 Euro als Mindestgebot für einen CLK 230 Cabrio, Baujahr 02, 168 000 Kilometer.

Mehr steht nicht auf dem Zettel an der Scheibe. „Jetzt frog i oifach: Wer bietet mehr? 13 000 zum Beispiel?“ – „Kann man da auch mal in den Motorraum schauen oder eine Probefahrt machen?“ -„Noi.“ Jochen Haugstetter, in dessen Auftrag versteigert wird, mischt sich ein: „Das Auto ist okay, nur die Räder sind nicht eingetragen und der Innenspiegel wackelt.“ – „Das müssen Sie doch dazuschreiben“, tönt es aus dem Publikum. „Ich muss gar nichts.“

Zurzeit erwischt es viele Handwerker

Weiter im Programm. Auktionator Stetter bringt es zum schnellen Ende. Kein Gebot für den CLK, keines für den E 350 und auch keines für den 280 SL. Nach drei Minuten ist alles vorbei. Das Publikum zieht teils mürrisch, teils ratlos von hinnen. Jochen Haugstetter ist jetzt Eigentümer der drei Wagen. Er wusste vorher schon, dass er auf den Autos sitzenbleibt. Aber Schnäppchenpreise habe er nun mal nicht machen können, sagt er. Und so war die Versteigerung für ihn, wie schon oft, nur lästige Pflichtaufgabe. Er wird die Fahrzeuge jetzt an einen Händler weiterverkaufen. „Für mich heißt das dreitausend Euro Minus“, sagt er.

„In ein Parkhaus zu fahren ist unverdächtig“

Der 47- Jährige betreibt ein Autopfandleihhaus, Mitte der Neunziger war er einer der Pioniere des Gewerbes im Süden. Haugstetter hat eine knackige Gesichtsbräune, eine Rolex am Handgelenk, zum Abschalten fährt er gern mal übers Wochenende nach Kitzbühl. Sein kerniges Auftreten ist das Ergebnis von vielen Jahren im Stahlbad Autobranche. Keine Zeit für Sperenzchen. Beim genaueren Hinsehen merkt man aber bald, dass da ein ganz netter Kerl hinter der ruppigen Schale steckt.
In der untersten Etage eines Parkhauses in Stuttgart-Vaihingen, wo sich selbst zu Einkaufszeiten selten Parker hin verirren, steht sein Kapital. Haugstetter hat einen Teil des Decks gemietet, Mauern eingezogen, Kameras aufgehängt, eine Sprinkleranlage installiert. Kunden schätzen die Anonymität des Untergeschosses. In ein Parkhaus zu fahren ist unverdächtig. Und wird das Auto verpfändet, verschwindet es gleich hinter dem Tor. Ein diskretes Geschäft.

Vierzig Autos hat Haugstetter zurzeit. In seinem klimpernden Metallköfferchen mit den Autoschlüsseln entdeckt man fast ausschließlich Porsche-, BMW, Mercedes- und Audi-Embleme. Manchmal ist auch das aufsteigende Pferd aus Maranello dabei.
Haugstetter führt durch seine Wechselausstellung mobiler Träume: ein veredelter Audi, Neupreis 130 000 Euro- „ein Freiburger Makler“. Ein Porsche Carrera Cabrio, Marktwert 60 000 Euro- „ein Berliner Veranstalter“. Ein BMW Alpina, Marktwert 50 000 Euro – „ein Teppichhändler, ich weiß jetzt schon, dass er nicht mehr kommt, nur er weiß es noch nicht“. Ein Mercedes Pagode, Bauhjahr 65 – „mein schönstes Stück“. Ein Käfer Speedster mit Porschemotor – „nichts Besonderes“. Ein Mercedes S 420 von einem Stuttgarter Geschäftsmann – „der hat auch keine Asche“.

„Der Mehrerlös geht an den Kunden“

Haugstetter beleiht mit bis zu 70 Prozent des Marktwerts. Davon verlangt er monatlich ein prozent für Zins und 3,5 Prozent Aufwandspauschale plus eine Standgebühr. Ist das Fahrzeug nach vier Monaten immer noch nicht ausgelöst, darf er versteigern. Nach neun Monaten muss er.
Je höher Haugstetter das Auto beliehen hat und je länger es stand, desto höher wird im Falle einer Versteigerung das Grundgebot angesetzt. „In der momentanen Wirtschaftslage verlieren Fahrzeuge in kurzer Zeit enorm viel Wert“, sagt er. Gibt es keine Gebote, ersteigert Haugstetter den Wagen zum Mindestpreis und verkauft ihn an einen Händler. Er könnte das Auto auch in Eigenregie verhökern, „aber dann habe ich die Gewährleistung am Bein“.

Werden bei der Auktion Rekordsummen geboten, hat Haugstetter nichts davon. Er bekommt nur das Mindestgebot, das sich aus Darlehen und angefallenen Kosten zusammensetzt. Der Mehrerlös geht an den Kunden. Und deshalb ist es Haugstetter am allerliebsten, wenn die Autos wieder abgeholt werden – was in letzter Zeit nur noch bei sieben von zehn Kunden der Fall sei. Vor allem mittelständische Unternehmer und Handwerker erwische es. Haugstetter hilft ihnen in höchster Liquiditätsnot. „Aber viele knapsen so am Limit, dass sie die Auslöse nicht schaffen.“

Presseartikel: Schnelles Geld für schnelle Wagen

Italiener geben ihre Autos nicht her

Das Autopfandleihgeschäft gehört zu den erlaubnispflichtigen Gewerben. Bevor die Stadt ihre Urkunden verleiht, wirft sie einen Blick auf das polizeiliche Führungszeugnis und prüft die Kreditwürdigkeit der Bewerber. Außerdem muss eine nicht geringe Bürgschaft hinterlegt werden – „falls mal krumme Dinger vorfallen sollten“, heißt es aus dem Rathaus. Es gebe heutzutage keine Umgangsformen mehr, sagt Haugstetter. Keine Zuverlässigkeit, kein Vertrauen. Er ist schon auf Kunden reingefallen, die unterschlagene oder gestohlene Autos bei ihm zu Geld machten. Es werde mit allen Tricks gearbeitet. Wagen mit Haarrissen in den Motorblöcken werden ihm als einwandfei angepriesen, Fahrzeuge mit Hagelschäden grundsätzlich nur bei Regen angeliefert, wenn die Dellen nicht auffallen. „Die Typen im feinen Zwirn sind die schlimmsten“, sagt Haugstetter.

Italiener, Spanier und Franzosen geben ihre Autos nicht her. Haugstetters Kunden sind Deutsche, Türken, Griechen, Albaner und Russen. Von südländischen Männern habe er schon oft Drohanrufe erhalten, wenn die Versteigerung ihres Autos anstand. „Das ist für die eine Frage der Ehre.“
Renault, Opel, Fiat – eigentlich alle Durchschnittsmarken – nimmt Haugstetter ungern, „die krieg ich nicht mehr los“. Bei „großen Dieselblöcken“ ist er auch vorsichtig, „da geht gerade gar nichts“. Manche sind beleidigt, wenn er ihr Auto ablehnt. „Ich sag dann: das hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun, nur mit Ihrem Auto.“

Er ist auch so ´ne Marke

Neulich kam die Steuerfahnund in seine Garage. „Ein Bordellchef aus Mannheim hatte 900 000 Euro Steuerschulden. Zwei seiner Autos standen bei mir“. Haugstetter durfte sie behalten. Ein Immobilienmakler zeigte den Pfandleiher vom Gefängnis aus an, weil er seinen schönen BMW X5 verkauft hatte. „Dem blutete das Herz noch hinter Gittern.“ Manchmal kommen Eltern, um die Autos ihrer Kinder auszulösen, „die sind mir dann noch böse, weil ich ihren Sprösslingen das Fahrzeug weggenommen habe“. Einige Spielernaturen haben Stammplätze in Haugstetters Garage. „Die verpfänden ihr Auto, gewinnen im Casino und lösen es dann wieder aus. Dreimal geht´s gut, beim vierten Mal ist das Geld futsch“.

Einige seiner Kunden seien verrückte Vögel – die nicht nur Geldsorgen plagten. Die immer wieder auf die Schnauze fallen. Die immer wieder aufstehen. Abenteurer des Alltags. Er mag sie eigentlich. „Vielleicht fließt bei mir ja ein bisschen ähnliches Blut“, sagt Haugstetter. „Irgend so ein normaler Job wär nichts für mich, da würde ich eingehen.“ Er ist auch so ´ne Marke.

Zurück zu allen Presse-Artikeln

Die Bild-Zeitung über Jochen Haugstetter

,, Immer mehr Stuttgarter trennen sich von ihren Fahrzeugen, wenn Sie knapp bei Kasse sind.“

Erhalten Sie heute noch einen unkomplizierten Pfandkredit

Schnellkredit kostenlos & unverbindlich anfragen